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Kategorie: Aktuelles

Gedanken anlässlich der Fensteröffnung am Dienstag,
dem 04. Dezember 2012, am Uelzener Adventskalender

"Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein" -
dieses Gebet gehörte in meiner Kindheit wie das Vorlesen eines Märchens, die liebevolle Umarmung und der Gute-Nacht-Kuss zum allabendlichen Zubettgehen. Dabei hatten meine Eltern, oder mindestens einer der beiden unendlich viel Zeit für mich und meinen kleinen Bruder, mit dem ich ein gemeinsames Schlafzimmer teilte. Alles, was uns bedrückte, jeder Kummer wurde ernst genommen und besprochen, Mama und Papa haben uns je nach Bedarf getröstet und ermutigt.

Zur elterlichen Liebe und Erziehung gehörte aber auch das Lernen zu warten, geduldig zu sein, abzuwarten und nicht jeder Wunsch wurde sofort erfüllt – und das war ja auch wegen der finanziellen Verhältnisse Anfang der 1950er Jahre gar nicht möglich.

In der Adventszeit auf das Christkind und die Bescherung zu warten fiel uns schon, wie wohl allen Kindern, besonders schwer und um die schier endlos lang erscheinende Zeit bis zum Heiligen Abend zu versüßen, gab es an jedem Adventssonntag etwas zum Naschen im Nikolausstiefel.

Und zum Glück war da ja noch der Weihnachtsmann, der in der Vorweihnachtszeit schon mal mit Leckereien überraschend auftauchte. Neben dem großen Geschenkesack mit kleinen Gaben hatte er immer auch eine Rute dabei. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass diese jemals gebraucht wurde.

Dafür geschah jedoch einmal etwas viel Schlimmeres, jedenfalls für mich war es ganz schrecklich. An einem Sonnabend im Jahre 1952, also vor ziemlich genau 60 Jahren, kurz vor dem Abendessen, schlug die Haustürglocke an - eine Türklingel gab es nicht, die Haustür wurde nur nachts verschlossen- und wir hörten ein paar schwere Stiefelschritte auf dem Flur, dann klopfte es an der Stubentür. Meine Mutter sagte "herein", die Tür öffnete sich und da war er, der Weihnachtsmann in seinem großen, roten Mantel und dem langen, weißen Bart. In einem Gefühlschaos von Freude und Ängstlichkeit wurde ich nach einem Gedicht gefragt. Artig kam dann:

"Lieber guter Weihnachtsmann, schau mich nicht so böse an, ich will auch immer brav und artig sein"

Mein kleiner Bruder schien gar nicht ängstlich und ein wenig keck lief es bei ihm mit dem "lieben, guten Weihnachtsmann..." nicht ganz so gut. Daraufhin nahm der Weihnachtsmann keine Gaben aus dem großen Sack, sondern steckte meinen Bruder dort hinein. Fröhlich lachend ließ dieser das "In-den-Sack-stecken" mit sich geschehen, als wäre es ein tolles neues Spiel. Der Weihnachtsmann nahm ihn mit und trug ihn noch aus dem Haus, während ich fürchterlich weinte. An der Gartenpforte wurde mein kleiner Bruder zu meiner großen Erleichterung wieder frei gelassen.

Mit Mandarinen, Schokolade und Lebkuchen und dem tröstenden Beistand durch die Mutter war der Schreck schnell überwunden. Aber dass der Weihnachtsmann mir meinen Bruder wegnehmen wollte, habe ich ihm bis heute nicht verziehen.

Ich wünsche mir, dass keinem Kind auf der Welt der Bruder oder die Schwester weggenommen wird, ich wünsche mir, dass alle Kinder so viel Zeit von ihren Eltern bekommen wie sie brauchen, Zeit mit ihnen zu spielen, Zeit geduldig zu sein, Zeit ihnen zuzuhören, Zeit sie zu ermutigen und zu trösten. In der liebevollen Zuwendung und im Zeithaben liegt wohl das größte Geschenk, das Eltern oder auch Großeltern ihren Kindern und Enkeln machen können, für die Kinder hier in Uelzen, für Mara in Hamburg, für Jacob in Wilstedt bei Bremen und für alle Kinder überall auf der Welt. Doch auch in unserer Erwachsenenwelt sehe ich das Zeithaben, das Sich-Zeit nehmen für andere Menschen im Vergleich zu den käuflichen Dingen als das wertvollere Geschenk an. Sollte man zu Weihnachten nicht einfach mal Zeitgutscheine verschenken: einen Gutschein zum gemeinsamen Spaziergang, einen Gutschein zum Gedankenaustausch oder einen Gutschein zum Klönschnack bei einer Tasse Kaffee, und bitte schön mit der Hand geschrieben. Darüber denke ich nach.

Und so ist verschenkte Zeit sicher keine vertändelte Zeit, nicht nutz- aber doch kostenlos. Verschenkte Zeit als Geschenkidee! In diesem Sinne wünsche ich allen eine besinnliche, vielleicht auch nachdenkliche Advents- und Weihnachtszeit.

Und for all de Plattsnackers seg ik: Frohe Wiehnachten!